Badmintonspieler Dietmar Unser wird von seinen Gegnern ehrfürchtig "Zinker" genannt
- Bericht aus der Braunschweiger Zeitung vom 14.10.2014, Autor und Bild Fabian Buß -
Poker und Badminton haben auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam. Bei genauerer Betrachtung sind jedoch gewisse Parallelen erkennbar. In beiden Disziplinen geht es oft darum, den Gegner zu täuschen und ins Leere laufen zu lassen, um selber davon zu profitieren.
Badmintonspieler Dietmar Unser beherrscht dies wie kaum ein Zweiter in seinem Alter. Regelmäßig düpiert der 71-jährige Doppeleuropameister seine Gegner mit Stoppbällen und schnellen Richtungswechseln. „Die jungen Spieler hauen und kloppen häufig nur. Meine Stärke ist mein gutes Auge. Oft schaue ich nach links und spiele dann nach rechts. Ich nenne das Zinkerei", sagt der Braunschweiger, der für den BC Comet spielt. Manche Gegner würden ihn ehrfürchtig den „Zinker" nennen, berichtet Dietmar Unser stolz.
Der fintenreiche Spielstil hat dem ehemaligen Bundesligaspieler schon über hundert Medaillen eingebracht. Vor zwei Wochen bei der Europameisterschaft im portugiesischen Caldas da Rainha gelang dem 71-Jährigen jedoch ein besonderes Kunststück: Er holte gleich drei Medaillen.
In der Altersklasse O70 gewann der Braunschweiger den Titel im Doppel sowie in der Mixed-Konkurrenz. Noch nie zuvor hatte er EM-Gold errungen. Lediglich im Einzel musste er sich mit Silber begnügen. „Ich war etwas müde, da ich kurz vorher das Mixed-Halbfinale spielen musste" analysierte Unser die Endspiel-Niederlage. Der Ärger über das verpasste Einzelgold war jedoch schnell verflogen. Heute überwiegen die positiven Erinnerungen, schließlich war der gebürtige Mecklenburger der erfolgreichste Starter der deutschen Delegation.
Spieler, 1500 Zuschauer, 50 Fotografen sowie ein portugiesisches Fernsehteam, das live berichtete, machten dieses Turnier für ihn zu einem unvergesslichen Ereignis. Gleichzeitig traf er auf viele langjährige Weggefährten. „Wir sind wie eine große Familie und freuen uns immer, wenn wir uns sehen" erzählt Unser. Bei der EM hat er sogar einige neue Fans dazu gewonnen: „Im Finale haben mir die Franzosen die ganze Zeit zugejubelt. Und ich habe keine Ahnung wieso."
Zurück in der Heimat, wurden die Medaillen gleich eingerahmt und alle Spielberichte sorgfältig, abgeheftet. Drei dicke Ordner haben sich bis heute angesammelt. Im kommenden Jahr geht Dietmar Unser in seine 60. Saison. Ans Aufhören denkt er noch lange nicht. Im September 2015 findet die WM im schwedischen Helsingborg statt. Dort möchte der Doppeleuropameister unbedingt an den Start gehen, zumal er als Titelträger wahrscheinlich gesetzt ist. Dafür trainiert er zweimal in der Woche und schuftet zusätzlich im Fitnessstudio.
Zuhause laufen die WM-Vorbereitungen schon auf Hochtouren. Ehefrau Petra hat bereits mit der Reiseplanung begonnen. „Meine Frau begleitet mich auf allen großen Turnieren und kümmert sich um den Papierkram, der vor den Reisen anfällt", erläutert Unser.
Während er mit dem Alter ruhiger geworden ist und keine Schläger mehr aus Frust zertrümmert, leidet seine Frau auf der Tribüne emotional mit. „Sie regt sich mehr auf als ich", scherzt der Badminton-Routinier. Bleibt zu hoffen, dass es bei der WM wenig Grund zum Aufregen gibt.